neuer Alltag
Hi,
es ist jetzt zwei Wochen her, dass unsere Lily fort gegangen ist und langsam kommt die Routine wieder. Es ist natuerlich nun eine vollkommen neue Routine, aber wir versuchen unser Bestes.
Es vergeht immer noch kein Tag, an dem ich nicht traurig werde, wenn ich an Lily denke, doch ich hoffe, es wird bald besser. Ich will laecheln, wenn ich an die Kleine denke, doch noch kann ich es nicht. Obwohl ich weiss, dass sie nun keine Schmerzen mehr hat und an einem tollen Ort ist.
Die Beerdigung in der Kirche hat mir viel geholfen und seit dem weine ich auch nur noch ganz selten. Die Worte von dem Priester waren wirklich gut. Die erste halbe Stunde in der Kirche habe ich nur geweint und kaum zugehoert, weil es alles nur schmerzhaft war, doch dann konnte ich nicht mehr weinen, denn der Priester hatte wunderbare Worte und am Ende habe ich sogar gelaechelt.
Ich kuemmere mich jetzt um meine anderen drei Schuetzlinge und ich liebe sie noch mehr, als ich es vorher schon tat. Ich unterstuetze meine Hosteltern wo ich kann und ich denke, wir sind ein ganz gutes Team, auch wenn wir uns allen ziemlich oft total auf die Nerven gehen. Aber das gehoert dazu, denke ich. Niemand kann von niemanden verlangen, die Trauer zu beenden, solange es den anderen Kindern dabei nicht schlecht geht.
Ich werde immer traurig, wenn ich alleine in meinem Zimmer bin, wenn alle schlafen. Oder wenn meine Kids tagsueber schlafen und meine Hostmom unterwegs ist. Im Familienzimmer ist ein grosses Bild von Lily und es macht mich so traurig, wenn ich dann die beiden anderen Babys krabbeln sehe. Letztens sind beide zugleich in meinen Armen eingeschlafen und ich konnte mich nicht bewegen, weil ich sie nicht wecken wollte. Das war ein sehr emotionaler Augenblick fuer mich, denn ich hoerte im Hintergrund leise Musik und das leise Schnarchen der Babys. Und ich sah das grosse Bild von Lily... Und dann kam ein Lied ueber Gott. Das geht in etwa so: Er hat die ganze weite Welt in seiner Hand, Er hat das klitze kleinste Baby in seiner Hand... Wie recht sie doch haben....
Na ja, wir muessen damit nun zurecht kommen, man kann es nicht aendern.
Unser Maedchen spricht nun ihr erstes Wort. BALL. Sie ist so stolz und freut sich jedes mal riesig, wenn sie es sagt. Sie hoert sogar auf zu weinen, nur um BALL zu sagen. Wenn sie also traurig ist, halte ich ihr einen Ball unter die Nase und sie schluckt und sagt lachend und stolz BAAAALL!!!! Das ist sooooo niedlich.
Unser kleiner Junge kann nun laufen, hat aber noch keine Lust dazu. Er lief das erste Mal richtig, an dem Tag, an dem Lily gestorben ist. Er hat nun Lilys Platz in der Nacht eingenommen und wacht jedes Mal zwischen 11 und 2 Uhr auf, sodass Mommy ihn in das Ehebett holt. Lily hat sie sonst immer wach gehalten, nun ist es unser Kleiner.
Unser Grosser macht jeden Tag viele viele Fortschritte. Er redet gerne, macht viel Unsinn und testet uns zu gerne. Leider manchmal auch in Situationen, die ziemlich gefaehrlich sind. Er suchte hin und wieder nach Lily, aber das wundert uns nicht, denn Lily war immer auffaellig und er liebte es, sie zu imitieren.
Wie man sieht, ist ein riesiges Loch in der Familie.
Am Wochenende geht es endlich zu den Niagara Faellen. Am Sonntag, wenn ich wieder da bin, haben die Drillinge Geburtstag. Sie werden 1 Jahr alt und ich kann sie nicht sehen. Die Familie faehrt fuer ein paar tage in den Urlaub und sie kommen erst am Montag wieder. Ich werde diese Nacht so hassen, denn ich bin alleine in diesem Haus und im Moment bin ich nicht gerne alleine.
Achso: Semra, ich kann dich leider nicht kontaktieren. Keine Nummer, keine Mailadresse, nix. Wollte dir nur sagen: Danke, dass du mir damals von Gott erzaehlt hast! Dieser Glaube haelt mich hier und haelt mich stark genug, die Familie zu unterstuetzen. Seit Lilys Tod waechst und waechst er immer mehr. Hoffe du liest es.
Okay, genug fuer nun, ich muss jetzt lesen gehen, denn ich muss meine Buecher beenden,bevor der neue Harry Potter Roman raus kommt. Nur noch einen Monat und ich freu mich schon sehr drauf.
Danke an meine Familie und meine Freunde fuer die Unterstuetzung und das offene Ohr. Das habe ich sehr gebraucht und ich bin mir sicher, dass ich es noch lange Zeit brauchen werde. Zumindest noch so lange, wie ich so weit weg von euch allen bin. Es ist verdammt hart, sowas durchzustehen, ohne meine wirklichen Freunde und Verwandten hier zu haben. Ich vermisse euch.
Bianca
